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Sonntag, 15. August 2010

Theorien der Berufswahl SKL 1.1: Die kognitive und konstruktivistische Wende


I. Die kognitive und die konstruktivistische Wende innerhalb der pädagogischen Psychologie

Am Anfang steht die Überzeugung, dass Aussagen über Menschen verlässlich, „wissenschaftlich“ sein sollen. Man beschränkte sich daher auf beobachtbares, für Experimentalsituationen geeignetes Verhalten und verzichtete darauf zu beschreiben, was in den Köpfen der Menschen vor sich geht, verzichtete auf spekulative Deutungen mit all’ den damit einhergehenden Unwägbarkeiten. Die Köpfe blieben dunkle, „schwarze Kisten“, black boxes. Die sozial-kognive Lebenslauftheorie (SKL) hat hier ihre Wurzeln, und doch unternimmt sie den Versuch, etwas Licht in die „dunkle Kiste“ zu bringen.

Ermutigt wurden ihre Vertreter durch die so genannte „kognitive Wende“ innerhalb der Psychologie seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts. Das, was jeder, der in der Berufsorientierung arbeitet voraussetzt, wurde nun auch wissenschaftlich thematisiert: Die zwischen Reiz und Reaktion vermittelnden psychischen Vorgänge, der Informationsaufnahme, -verarbeitung, -speicherung, -abrufung und –(weiter)verwendung, kurz: die „Kognitionen“.

Etwa parallel zur kognitiven Wende lässt sich ein zweiter Trend feststellen, der den Menschen schon seit frühester Kindheit als selbstständigen, aktiven Gestalter, „Akteur seiner Entwicklung“, seiner selbst und seiner Umwelt versteht. Dieses Verständnis lässt sich als Ausdruck einer „konstruktivistischen Wende“ näher beschreiben. In den Feldern der Biologie, Systemtheorie und der Gehirnforschung wurde betont, dass der Organismus eine sich selbst steuernde, erhaltende und entwickelnde, „autopoietische“ Einheit sei.

„Der Organismus wird also nicht von außen gemacht, sondern er erzeugt sich immer wieder selbst mit den Mitteln, die ihm durch seine (biologische) Organisation und seine Umwelt zur Verfügung stehen. Er ist autonom, indem er sich aufbaut, und gleichzeitig auch abhängig, weil er dazu auf das angewiesen ist, was seine Umwelt ermöglicht und beiträgt. Überträgt man dieses Denkmodell auf die geistige Entwicklung des Menschen, dann bildet sich der Mensch selbst, aber eben in der Auseinandersetzung mit den Einflüssen der gegebenen Umwelt.“ (Gerd E. Schäfer, Hrsg.: Bildung beginnt mit der Geburt, Berlin 2007, S. 45; vgl. Luhmann 1984)

Die hier betonte Fähigkeit des Menschen sich selbst zu regulieren (Selbstregulation) lässt sich konkretisieren in den Fähigkeiten,

- „sich selbst zu motivieren,
- sich bestimmte Ziele zu setzen,
- Strategien zu entwerfen,
- das fortlaufende Verhalten zu bewerten und entsprechend zu verändern.“

(Hobmair 2008, S. 171)

Der Bezug dieses theoretischen Ansatzes zur Berufsorientierung ist augenscheinlich.

Für die Lebenslauftheorie bedeutet dies – und es ist nur scheinbar trivial - , dass

Menschen ihre Lebensläufe selbst mitkonstruieren
ihre Überzeugungen und Meinungen eine Schlüsselrolle in diesem Prozess spielen
wir weder bloße Nutznießer, noch Opfer unserer innerseelischen Prozesse, des Temperaments oder der äußeren Situation sind, in der wir uns befinden
Verhalten oft flexibel und veränderbar ist. (Vgl. Lent u.a., in: Brown 2002, S. 255)

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