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Sonntag, 15. August 2010

Theorien der Berufswahl SKL 1.3: Schlüsselkonstrukte

III. Schlüsselkonstrukte der SKL

Aus der sozial-kognitiven Theorie werden nun näherhin drei Bestimmungen der Person für die Beschreibung des Lebenslaufs fruchtbar gemacht:

- Self-efficacy (beliefs) (Selbstwirksamkeit[s-Überzeugungen])
- Outcome expectations (Ergebniserwartungen)
- Personal goals (persönliche Ziele)

1. Das Konstrukt der Selbstwirksamkeit gehört in der Gegenwart zu den Stars der psychologischen Theoriebildung. Es wird Ihnen nicht gelingen, an einer pädagogischen Diskussion teilzunehmen, in der nicht mit dem Begriff der Selbstwirksamkeit argumentiert wird.

„Self-efficacy refers to people’s beliefs about their capabilities ‘to organize and execute courses of action required to attain designated types of performances’ (Bandura, 1986, p. 391)” (Lent in Brown 2002, S. 262).

Die Selbstwirksamkeitsüberzeugung ist situations- bzw. gebietsspezifisch.

Wer etwa eine hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugung bezüglich seiner Leistungen im Fach Mathematik hat, muss dies nicht auch in Sprachen haben oder aber, wer eine hohe kognitive Leistungsüberzeugung hat, muss dies auch nicht im Blick auf soziale Kompetenzen, zum Beispiel der Gewinnung und Pflege von Freundschaften haben.

Es gibt vier verschiedene Typen von Lernerfahrungen (bzw. Informationsquellen) in denen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen erworben und modifiziert werden:

- Persönliche Erfahrungen, Ziele erreicht zu haben (personal performance accomplishments)
- Stellvertretendes Lernen (vicarious learning)
- Soziale Überzeugung (social persuasion)
- Physiologische und affektive Zustände (physiological and affective states)


Exkurs: Entwicklung eines pädagogischen Verfahrens in Orientierung an den vier Quellen der Selbstwirksamkeitsüberzeugung

Robert W. Lent hat in einer späteren Publikation (Brown und Lent 2005) ein pädagogisches Verfahren angedeutet, das bei den vier Quellen der Selbstwirksamkeit ansetzt. Die persönliche Zielerreichung sei ein besonders geeigneter Ansatzpunkt für Interventionen. Hier komme es darauf an, die Anforderungen abgestuft zu gestalten, um Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Ebenso wichtig sei es aber, die Art und Weise aufzugreifen, in der Schüler und Studenten die Qualität ihrer Leistungen interpretieren. Objektiver Erfolg werde zum Beispiel die Selbstwirksamkeitsüberzeugung nicht positiv stimulieren, wenn die Schülerinnen und Schüler ihre guten Ergebnisse dem Glück oder der Einfachheit der Aufgaben zuschreiben. Das gelte wie Hackett 1995 festgestellt hat insbesondere bei Leistungen von Mädchen in Mathematik und Naturwissenschaften. Es komme daher darauf an, den Schülerinnen Gelegenheit zu geben, Lernzuwächse zu erfahren. Wer Erfolgserlebnisse aufgrund sich entwickelnder persönlicher Fähigkeiten sammele, werde „Fähigkeit“ als ein erlernbares Attribut erfahren und nicht als etwas Fixiertes, Angeborenes, Mädchenfremdes.
Ähnliches gelte für das Modelllernen. Hier sei es sinnvoll, die gesellschaftlich modellierten Orientierungen an Typischem, Angemessenem für … (das Angemessene für ein Mädchen, das Angemessene für einen Menschen mit Migrationshintergrund …) zu hinterfragen.
Soziale Unterstützung und Überzeugung können dort angewendet werden, wo es darum gehe einen Studenten zu neuen Aufgaben zu ermuntern oder an einer Aufgabe d’ran zu bleiben, auch den Erfolg angemessen zu interpretieren. Zum Beispiel bei der Nichterfüllung einer Aufgabe darauf zu sehen, dass man gleichwohl seine Fertigkeiten verbessert hat.
Mit Blick auf physiologische und affektive Zustände sei es wichtig, den Umgang mit eigenen Ängsten zu reflektieren und Strategien zu entwickeln, um diese zu verringern.

Im Zentrum der Selbstwirksamkeitsstärkung liegt die Erfahrung eigenen Erfolgs. Umgekehrt schwächen Versagenserfahrungen die Selbstwirksamkeitsüberzeugnung.

Problematisch ist dies insbesondere dann, wenn Schülerinnen und Schüler Versagenserfahrungen unzulässig verallgemeinern, also die Gebietsspezifität oder die Situationsabhängigkeit nicht beachten. Hinzukommt, dass eine beschränkte Selbstwirksamkeitsüberzeugung subjektiven Charakter hat, so dass sich eine Schülerin z.B. schon bei der Leistungsnote „gut“ als Versagerin fühlen kann.

2. Von der Selbstwirksamkeit zu unterscheiden sind die Ergebniserwartungen. Ergebniserwartungen sind persönliche Überzeugungen über die Konsequenzen oder die Ergebnisse eines bestimmten Verhaltens. Geht es bei der Selbstwirksamkeit um die Frage: Kann ich das?, so hier um die vorgestellten Folgen meiner Handlung: Wenn ich das jetzt tue, was passiert dann?
Ergebniserwartungen enthalten ihrerseits verschiedene Typen von Überzeugungen über die Reaktionsergebnisse von Verhalten:

· Extrinsische Verstärker (Ich erhalte eine Belohnung, wenn ich so handele!)
· Selbstverstärker (Ich werde stolz auf mich sein, wenn ich so handele!)
· Verstärker, sie sich aus dem Prozess der Handlung ergeben, ihn begleiten (Ich werde Zeit und Raum vergessen und völlig in der Handlung untertauchen! Vgl. das von Csikszentmihalyi 1990 beschriebene Flow-Erleben, vgl. http://www.br-online.de/br-alpha/geist-und-gehirn-manfred-spitzer-gehirnforschung-ID1214991438479.xml)

Die Ergebniserwartungen spielen eine große Rolle, wenn es darum geht, einen Menschen zu einem Verhalten zu motivieren.
Beispiele:
a) „Die Schatten der Vergangenheit“: Die Ergebniserwartung gegenwärtiger Handlungen ist abhängig von der Einschätzung bereits vollzogener Handlungen. Wenn ein Jugendlicher bisher schlechte Erfahrungen mit Eigeninitiative und selbstbestimmtem Handeln gemacht hat, wird dies Auswirkungen auf seine Ergebniserwartung hinsichtlich einer selbstbestimmten engagierten Berufswahl haben. Es ist dann aber nicht die Berufswahl als solche der Grund für seine Demotivation (– und auch die berufsorientierende Lehrkraft muss keine Versagensphantasien entwickeln), sondern seine Ergebniserwartung und es ist pädagogisch zunächst einmal ein Feld zu eröffnen, in dem der Jugendliche Erfolge erfahren kann, zum Beispiel in einem Praktikum oder aber in einem ganz anderen Gebiet. Man wird vielleicht die Verallgemeinerung wagen dürfen, dass eine Erziehung zu Selbstständigkeit und Eigeninitiative, die durchaus Lernerfahrungen auch des Scheiterns und Versagens begrüßt, die Ergebniserwartung stimuliert und diese die eigenbestimmte Berufsorientierung.
Vor allem ist es wichtig, die negative Perspektive zu verlassen und nach positiven Erfahrungen zu fahnden. Die gibt es!
b) „Das Scheitern von Freunden und sonstigen Bekannten“:
c) Aufmerksamkeit auf die eigene und Fremd- Bewertung der eigenen Handlungen. Auch hier ist es so, dass sich negative Reaktionen eher erinnern.

3. Persönliche Ziele sind der dritte Schlüssel, um persönlich aktiv zu werden:

„Goals may be defined as the determination to engage in aparticular activity or to effect a particular future outcome (Bandura 1986).“ (Lent in Brown 2002, S. 263)

Über die Setzung eigener Ziele wird die Person fähig, sich zu organisieren, zu leiten und das vorgenommene Verhalten ggff. über große Zeiträume beizubehalten und zwar ohne äußere Verstärkung. Ziele sind daher Mittel des Selbstempowerment. Ziele machen (in gewissem Grade natürlich nur) unabhängig von Umwelteinflüssen, aber auch von den eigenen Genen und Launen.

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