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Donnerstag, 23. Juni 2011

Konstruktivistische Entwicklungstheorie des beruflichen Verhaltens. Teil 3

5. Die fünf Entwicklungsaufgaben der Karrierekonstruktion

Wie sieht nun der Karriereprozess aus? Wie lässt sich der Transaktionsprozess zwischen Selbst und Gesellschaft beschreiben? Super greift auf das Konzept der Entwicklungsaufgaben (die „developmental tasks“ von Havighurst) zurück und beschreibt entsprechend fünf Aufgaben, die jeder Mensch bearbeiten muss. Die Aufgaben sind fünf Lebensaltern zugeordnet:

Stage One: Growth (4-13 Jahre)

Stage Two: Exploration (14-24 Jahre)

Stage Three: Establishment (25-44 Jahre)

Stage Four: Maintenance or Management (45-64 Jahre)

Stage Five: Disengagement
(Die Jahreszahlen sind natürlich Annäherungswerte und hängen von zufälligen Faktoren wie etwa bezogen auf Stufe vier von der willkürlichen Markierung der Rentengrenze ab.)

5.1 Stufe Eins: Wachstum

Hier bildet sich das berufliche Selbst-Konzept heraus. Vier Syndrome charakterisieren Bereitschaft („readiness“) und Bewältigungsressourcen („coping resources“), um die vier Hauptaufgaben zu erfüllen, welche die Gesellschaft Kindern auferlegt:

5.1.1 Aufgabe 1: Die eigene berufliche Zukunft wird ein Thema, das das Kind angeht.

(Es erlebt sich als involviert in diese Frage; sie stellt sich ihm; die berufliche Zukunft ist sein Anliegen. Savickas: „Become concerned about one’s future as a worker“. Savickas in: Brown 2002, S. 168)

Am Beginn dieser Entwicklung stehen zwischenmenschliches (Ur-) Vertrauen und eigene Zuversicht. (Vgl. hierzu E. Erikson: Kindheit und Gesellschaft, Stuttgart 1992; Identität und Lebenszyklus, Frankfurt a.M. 1973, darin der empfehlenswerte Aufsatz: Wachstum und Krisen der gesunden Persönlichkeit, S. 55-122, der zum vollen Verständnis des Folgenden konsultiert werden sollte).



Kinder, die eine sichere Bindung zu ihren Eltern entwickeln, verfügen über die Kraft der Exploration und Erkundung von Welt. Sie sind entlastet von der Aufgabe sich ihrer selbst zu versichern und können darauf ausgehen Neues zu entdecken und sich zu erproben. Im späteren Leben haben diese Menschen die Kraft, produktiv mit Lehrern und Mentoren zu interagieren und sich in ihrem Beruf zu entfalten.

Unsichere Menschen müssen viel Energie in die Stabilisierung der Gegenwart investieren. Ihnen fehlt oft die Kraft der Zukunftsplanung. Angst ist ihre Begleiterin.

5.1.2 Aufgabe 2: Das Kind übernimmt zunehmend Kontrolle über die eigenen Karriereaktivitäten.

Am Beginn dieses Aspekts steht die Unabhängigkeit von den Eltern oder wiederum mit Erikson gesprochen, die persönliche Autonomie und die zwischenmenschliche Willenskraft.

„During childhood, proactive behaviors such as making decisions, delaying gratifications, negotiating, and asserting one’s rights increase a sense of interpersonal autonomy and personal agency. These behaviors prefigure an adolescent’s attitudes of decisiveness and competence at making career choices. Individuals who do not feel in control allow luck, fate, or powerful others to make their career choices.” (Savickas in: Brown 2002, S. 169)

5.1.3 Aufgabe 3: Das Kind erarbeitet Konzepte für bildungs- und berufsbezogene Entscheidungen.

Dieser Entwicklungszug wurzelt in der Vernetztheit mit anderen Personen bzw. wiederum mit Erikson gesprochen in der Ausbildung von Initiative und Ideen zu einem sinnvollen Leben. Das Kind beginnt sich über den Sinn des Lebens im Allgemeinen und die Art und Weise seines Lebens Gedanken zu machen. Hierzu gehören Grundeinstellungen wie die, dass man bei der Entscheidung bleibt, die man einmal getroffen hat, bzw. bei der gegenteiligen, dass man sich verändern muss.

5.1.4 Aufgabe 4: Das Kind erwirbt das erforderliche Selbstvertrauen, um diese Wahlentscheidungen zu treffen und zu implementieren.

Hierzu gehört die Überzeugung, genau so viel Wert zu sein wie die anderen. Erikson sprach darüber hinaus vom Könnensbewusstsein, dem „Werksinn“ des Kindes.

„Confidence can move from play acting to setting goals and actualizing roles. In career construction theory, confidence denotes feelings of self-efficacy concerning one’s ability to successfully execute a course of action needed to make and implement suitable educational and vocational choices.” (Savickas in: Brown 2002, S. 170f.)

Am Ende der Kindheit wachsen die vier gerade diskutierten Linien in das ABC der Karriere-Konstruktion zusammen: Einstellungen, Überzeugungen und Kompetenzen. In der nächsten Stufe wird es nun darum gehen, die Fäden dieser Dispositionen und Kompetenzen in eine zusammenhängende Selbstrepräsentanz zusammenzuweben, um dann das berufliche Selbst mit dem entstandene Gewebe in Form eines Berufes einzukleiden.

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