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Donnerstag, 23. Juni 2011

Konstruktivistische Entwicklungstheorie des beruflichen Verhaltens. Teil 2

4. Theorie der Entwicklung


Wie lässt sich die Entwicklung berufsbezogener Vorstellungen überhaupt fassen?


Donald E. Super ist einer der Pioniere der Entwicklungsforschung. Er publizierte 1953 seine erste Arbeit zur Entfaltung von Arbeitsbiographien. Super fordert die Berufsberater und Forscherinnen auf „to recognize the processes that construct and develop an individual`s career through the life course. […] Metaphorically, we might liken the differential approach to comparing the characteristics of six different people and the developmental approach to noting the changes in six photographs of the same person taken at different times.” (Savickas in: Brown 2002, S. 150 Weitere Infos zum Werk von Super über das Bild.)

Terminologische Differenzierungen

Es wird unterschieden zwischen vocational und occupational behavior. Vocation meint die subjektive „Stimulus“-Seite des Berufs, entsprechend der deutschen „Berufung“. Occupation die objektive Seite des Berufs, das, was der Beschäftigungsmarkt an Berufen anbietet oder ermöglicht oder auch das, was man tut, wenn es um „Berufsorientierung“ geht: z.B. Berufssteckbriefe erarbeiten und vorstellen oder in Infomessen mit Berufsvertretern sprechen oder über ein Praktikum einen Beruf kennen lernen..

Weiterhin wird unterschieden zwischen subjektiver und objektiver Karriere. Im Unterschied zu den von außen beschreibbaren Karriereetappen, das etwa, was man in einen Lebenslauf hineinschreibt, meint subjektive Karriere den Entwicklungsverlauf der subjektiven Berufsvorstellungen. Die subjektive Karriere ist eingebettet in die eigene Lebensgeschichte, die man sich und anderen erzählt und aufgrund äußerer Ereignisse (z.B. Verlust des Arbeitsplatzes) oder innerer Ereignisse (z.B. Entwicklung neuer Interessen oder Verstärkung immer schon schlummernder Interessen etwa aufgrund einer günstigen Gelegenheit) immer wieder umschreibt. Die subjektive Karriere ist Ergebnis der persönlichen Konstruktion. Die berufsbezogenen Ereignisse werden in ein Sinnganzes eingestellt, so dass sie „Sinn machen“.

„From this perspective, a subjective career is a reflexive project that transforms individuals from actors of their career to subjects in their own career story. It tells one’s ‘own story,’ usually by emphasizing a sense of purpose that coherently explains the continuity and change in oneself across time”. (Savickas in: Brown 2002, S. 152)

Die Theorie nimmt auch deswegen für sich ein, weil sie nicht mehr bloß exotische Naturen beschreibt, welche sich der Aufgabe ausgesetzt sehen, verwickelte Konstruktionen zu erdenken, die ihrem Lebensweg Sinn geben, sondern mehr oder mehr zur Normalität werden. Die Identitätsmodelle der industriellen Moderne werden fragwürdig. Jenseits der naiven Moderne wird den Individuen andauernde Subjektkonstruktion abverlangt, um so etwas wie Lebenskohärenz zu sichern. Und das geht nur, indem man sich und den anderen sein Leben immer neu erzählt.


(Vgl. hierzu den spannenden Band von Heiner Keupp u.a.: Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identiäten in der Spätmoderne, Reinbek 1999. Klicken Sie das Bild an!)

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