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Donnerstag, 23. Juni 2011

Konstruktivistische Entwicklungstheorie des beruflichen Verhaltens. Teil 4

6. Stufe Zwei: Exploration

Nun geht es um die Vereinigung der inneren und der äußeren Welten. Die jungen Menschen entwickeln eine berufliche Identität und erfüllen entsprechende gesellschaftliche Erwartungen. Daher liegen im Zentrum der nun anstehenden Aufgaben, Informationen über sich selbst und die Berufswelt zu sammeln, diese miteinander zu verknüpfen und derart eine Karriere zu konstruieren: Berufliche Tagträume stehen am Beginn dieser Stufe. Ihr Ziel ist die Aufnahme einer Berufstätigkeit.

Das beschriebene Informationssuchverhalten stellt die notwendige Erfahrung und Expertise bereit, um die drei Entwicklungsaufgaben zu erfüllen, die sich nun stellen:

6.1 Aufgabe 1: Kristallisation

Hier geht es zunächst darum sich besser kennen zu lernen, das „Selbst weiter auszudifferenzieren“. Unterstützt wird dieser Prozess durch geeignete schulische Maßnahmen wie Praktika, Informationstage, Bewerbungsgespräche, Berufsfeldübungen, aber auch Freizeitaktivitäten, ehrenamtliches Engagement und nicht zuletzt über geeignete psychometrische Verfahren. Letztere wie das empfehlenswerte von der Agentur für Arbeit (klicken Sie das Raumschiff unter der Tagcloud dieses Blogs an und erproben Sie den Test des Berufe Universums!) helfen dabei, ein objektiveres Bild der eigenen beruflichen Interessen, Fähigkeiten und Arbeitswerte zu zeichnen.

Der zunehmenden Klarheit über das eigene berufliche Selbst entspricht die über die Welt der Berufe wie sie etwa über das berufenet vertieft werden kann. Aus den zunächst zufällig ausgewählten Berufen entsteht so mit der Zeit eine kognitive Landkarte von Berufsfeldern und Berufen.

Das Matching beider Seiten bzw. der Prozess der Integration der Selbstvorstellung mit der Berufsvorstellung kann mittels des von John Holland entwickelten Verfahrens vorgenommen werden. Vgl. hierzu die sechsteilige Darstellung in diesem Blog:
Der junge Mensch entwickelt derart zunächst Tagträume über mögliche berufliche Selbste. Diese Visionen, besonders die verlockenden Möglichkeiten, stärken die Bereitschaft, die Welt der Erwachsenen zu betreten. Der junge Mensch vermag Rückschlüsse zu ziehen z.B. über noch zu erwerbende oder zu stärkende Fähigkeiten und Fertigkeiten. Sie vermag angesichts der nun konkreteren Vorstellungen bisher nur nebulöse oder überzogene Phantasien aufzugeben usw.

6.2 Aufgabe 2 Spezifikation

Nun geht es um die Anbahnung einer Berufsentscheidung. Bisher nur vorläufige Präferenzen werden systematischer und ernsthafter überprüft und vertieft. Wir beginnen nun unsere Berufsgeschichte zu erzählen. Der spielerische Charakter der Berufsvorbereitung schwindet. An die Stelle der Möglichkeiten tritt die Möglichkeit, die wir selbst werden wollen. Wir konstruieren uns.

„Specifiying an occupation choice involves more than just the psychological activity of mentally comparing and suitably coupling self and occupational concepts. It consists of constructing a story that engages the larger sociocultural context by organizing self-percepts and then positioning the resulting self-concept in society.” (Savickas in: Brown 2002, S. 175)

Das “Wirklichkeits-Ich” wird entworfen: „The declaration of an occupational choice confirms who we are and wish to become. […] The more we tell the story, the more real we become.” (a.a.O.)

6.3 Aufgabe 3: Verwirklichung

Die dritte und letzte Aufgabe der Exploration erfordert die Umsetzung des Entwurfes: Der junge Mensch realisiert eine Wahl, indem er sie in Handlungen umsetzt. Er vollzieht den Übergang von der Schule zum Berufsleben. Üblicherweise bedeutet dies, dass eine entsprechende Berufstätigkeit aufgenommen wird, zunächst um die Wahl zu überprüfen, sich im Beruf(sfeld) zu orientieren, sich weitere berufsbezogene Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen, um schließlich in die Phase der stabilen Beschäftigung einzumünden.

7. Die weiteren Karriere-Stufen sind für die Studien- und Berufsvorbereitung in der Schule weniger von Bedeutung, da Sie die letzten Stufen ab dem 25. Lebensjahr beschreiben. Sie sollen darum hier nicht beschrieben werden. - Unwichtig sind sie allerdings nicht, da es eine Wechselwirkung zwischen den Berufsstufen der Lehrerinnen und Lehrer und der Berufsvorbereitung gibt. Ein Lehrer, der zum Beispiel in der Stufe des Disengagements sein bisheriges Berufsleben reflektiert, wird sich einem Schüler anders zuwenden als eine Lehrerin, die gerade damit beschäftigt ist, Fuß zu fassen „Establishment“). Alle Stufenrepräsentanzen auf Seiten der Lehrerinnen und Lehrer haben vermutlich ihre Vor- und Nachteile. Reflektiert wurde diese Seite bisher aber wenig, wie mir scheint. Mir ist zu diesem Phänomen jedenfalls keine Untersuchung bekannt. (Was allerdings auch wiederum nichts heißen will …)

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